Faszinierende Rhythmen unter der heißen Sonne Spaniens, Liebe, Hass, Verrat und eine Revolution – das könnte glatt aus der Beschreibung eines neuen Kino-Epos sein. Tatsächlich handelt es sich jedoch um die Oper Carmen, die im Theater Bremen derzeit neu interpretiert wird.
Die Geschichte der Oper lässt sich kurz zusammen fassen: Soldat Don José kommt neu nach Sevilla. Er lernt dort die Zigeunerin Carmen kennen, die zwar in einer Zigarettenfabrik arbeitet, jedoch vor allem für ihre Verführungskünste bekannt ist. Diese versagen auch bei Don José nicht, obwohl er mit seiner Jugendflamme Micaëla verlobt ist. Auch der erfolgreiche Torerro Escamillo hat einen Blick auf Carmen geworfen, sie weist ihn jedoch ab. Don José wiederum ist nach einem Kampf mit einem Zigeuner gezwungen, mit Carmen und ihren Freunden ins Schmugglerversteck in die Berge zu ziehen. Dort trifft Don José auf Escamillo, der auf der Suche nach Carmen ist. Es kommt zum Kampf zwischen den beiden, der jedoch glimpflich ausgeht. Micaëla beobachtet den Kampf und fleht Don José an, mit ihr zurückzukehren, doch er tut dies nur, weil sie ihm von seiner im Sterben liegenden Mutter berichtet. In Sevilla treffen Carmen und Don José erneut aufeinander. Carmen liebt nun jedoch Escamillo. Im Affekt ersticht Don José sie.
Die Oper von George Bizet wurde schon unzählige Male neu aufgelegt. Doch im Bremer Theater vollbringt die junge Regisseurin Anne-Sophie Mahler das Wunder, die Geschichte noch einmal ganz neu zu interpretieren. Sie verfolgt während der Oper eher Don Josés Perspektive und beschäftigt sich mit Carmen als femme fatale. Der psychologische und realistische Inszenierungsansatz macht deutlich, dass „Carmen“ aus mehr als Flamenco und Zigeunerromantik besteht.
Dazu trägt auch das Bühnenbild von Duzi Bischoff bei. Die Oper spielt vor der Kulisse eines imposanten Salons mit vielen Kronenleuchtern, Türen und Sitzgruppen. Trotz oder gerade wegen der fehlenden Ortswechsel kann der Zuschauer die Geschichte so intensiv verfolgen wie noch nie.
Besetzt wurde die Oper wie immer mit einem grandiosen Ensemble. Die Mezzosopranistin Theresa Kronthaler macht ihrem guten Ruf alle Ehre und brilliert in den großen Arien. Doch auch sie kann sich fabelhaft in die psychologische Analyse ihrer Figur einfinden.
Luis Olivares Sandoval schafft es mit seinem Tenor ebenfalls, die Oper ausfzufüllen, zu deren uneigentlicher Hauptfigur er gehört. Egal, ob die Klage über die verlorene Liebe oder die Drohungen Carmen gegenüber – er beleuchtet alle Emotionen allein mit seiner Stimme.
Auch Erika Roos als Micaëla glänzt mit ihrem reinen Sopran, der ihre unschuldige Rolle noch einmal unterstreicht.
Die Bremer Philharmoniker unter Markus Porschner sorgen dafür, dass auch Bizets musikalische Brillanz nicht vergessen wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Musikhochschule Bremen auch in Zukunft Künstler dieses Formats hervorbringen wird.
Wer am liebsten Inszenierungen mag, die sich streng an die Tradition halten, wird dieser Carmen-Inszenierung wohl nicht viel abgewinnen. Wer hingegen auch gern eine neue Seite sieht, wird begeistert sein. Die Schlussszene, in der Carmen im Torrero-Outfit auftritt und Don José ins weiße Kleid gesteckt wird, steht sinnbildlich dafür, wie innovativ die Inszenierung ist. Sowohl große Emotionen als auch prickelnde Erotik und emotionale Labilität finden Platz auf der Bühne.
Mahler inszeniert die Oper trotz des schwierigen Themas mit einer solchen Leichtigkeit, dass nichts als Begeisterung bleibt.
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